Kultur

66. Frankfurter Buchmesse eröffnet

Finnland ist das Gastland


Die Eröffnungsredner der Buchmesse (Quelle: heldmann.photography)
Messedirektor Dr. Juergen Boos
(Quelle: heldmann.photography)
GDN - Am Dienstagabend wurde im Frankfurter Congresscenter die 66. Frankfurter Buchmesse eröffnet. Der Präsident des Gastlandes Finnland, Sauli Niinistö, und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier waren die politischen Hauptredner. Literarische Redner waren Sofie Oksanen und Dr. Pasi Sahlberg.
Heinrich Riethmüller
Quelle: heldmann.photography
Das erste Wort bei der Eröffnung hatte der Vertreter des Messeveranstalters. Heinrich Riethmüller begrüßte die Gäste aus Politik und Literaturbetrieb erstmals als Vorsteher des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. Er konnte dabei eine Erfolgsmeldung verkünden, die für Beifall sorgte. “Ich kann berichten, dass sich der deutsche Buchmarkt positive entwickelt. Nie wurden mehr Bücher verkauft als im letzten Jahr, und zum ersten Mal seit zehn Jahren ist der Umsatz des stationären Buchhandels leicht gewachsen.“ Riethmüller erklärte, nach der anfänglichen Verunsicherung, was die Digitalisierung für den Buchhandel bedeute, habe die Branche nun die Chancen, die darin steckten, erkannt. Natürlich konnte auch er das Thema “Amazon“ nicht vermeiden. Der Plan von Amazon, den Buchhandel neu zu erfinden, werde jedoch nicht aufgehen. Der stationäre Buchhandel konkurrier nicht mit den Onlinehändlern sondern biete den Lesern einen Service, den dieser nicht bieten könne. Und das werde anerkannt und zahle sich aus.
Minister Frank-Walter Steinmeier
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Frank-Walter Steinmeier nutzte seine Rede, an den am gleichen Tag verstorbenen großen deutschen Schriftsteller Siegfried Lenz zu erinnern. “Ich brauche Geschichten, um die Welt zu verstehen“, zitierte er Lenz und stellte diesen Satz quasi als Motto über die 66. Buchmesse. Kern der Rede des Ministers war das Thema “Verstehen“. Dabei betonte er, “Verstehen ist nicht Verständnis und erst recht nicht Einverständnis! Aber Verstehen ist die Voraussetzung für Verständigung.“ Ein Ort des Verstehens seien Messen, und die Buchmesse ganz besonders. Denn dort werde nicht nur über Rechte und Lizenzen verhandelt, sondern auch über kulturelle Inhalte. Minister Steinmeier rief dazu auf, den digitalen Raum mitzugestalten. Das benötige jedoch regeln. “Gerade wir Deutsche - als meistvernetzte Nation auf dieser Welt! - sind auf vernünftige Regeln in der Globalisierung angewiesen wie kein anderes Land! Und auch da gilt: Wenn wir nicht bereit sind, uns herauszuwagen, uns einzumischen und darum zu ringen, die Standards der Globalisierung, die Bedingungen des Marktes der Güter und der Ideen zu prägen, dann werden andere das tun!“
Finnlands Präsident freute sich über “das Privileg, Ehrengast der Frankfurter Buchmesse“ zu sein und stellte die Vorzüge seines Landes heraus: “Finnland ist das Land, in dem die Frauen als die ersten der Welt volle politische Rechte erhielten, in dem die Redefreiheit in allen Statistiken zur Weltspitze gehört, dessen Schulsystem durch seine Spitzenergebnisse weltberühmt ist“. Er fasste das in dem Motto zusammen: “Finnland ist cool“, einen Satz, den er zur Freude von Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann am Nachmittag auch in das Goldenen Buch der Stadt geschrieben hatte.
Sofie Oksanen
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Und der Präsident stellte die Besonderheit der finnischen Literatur und ihrer Literaten heraus. Für diese äußerten sich Sofie Oksanen und Dr. Pasi Sahlberg. Oksanen schlug einen Bogen vom Begriff der “Finnlandisierung“, der “verminderte Selbstständigkeit, angenagte Demokratie und abgewürgte Meinungsfreiheit“ bedeutet habe, hin zur Bedeutung des freien Wortes. Sie verwies auch auf einige Besonderheiten der finnischen Sprache. So komme sie ohne geschlechtsdefinierende Pronomen aus und Präsens und Futur hätten dieselbe Verbform. “Sprache produziert immer Realität.“ Heute sei Finnland auf Platz Eins des Rankings von Rede- und Pressefreiheit zu finden, vermerkte die Autorin nicht ohne Stolz.
Dr. Pasi Sahlberg
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Der zweite literarische Redner des Abend, Dr. Pasi Sahlberg ,nahm dem einen oder anderen im Saal die Illusion, die Erfolge des finnischen Bildungswesens beruhten auf einer “Handvoll Superlehrer“ a la dem, den Robin Williams im “Club der toten Dichter“ verkörpert habe. “Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“, betonte er die Bedeutung eines funktionierenden Gemeinwesens. Aus seiner Sicht liegen die Erfolge des finnischen Schulwesens darin, dass es “auf Gleichstellung und Gerechtigkeit beruht und für alle Kinder gut ist.“ Lehrkräfte hätten während der Arbeitszeit in der Schule mehr Zeit für die Zusammenarbeit mit ihren Kollegen als in den meisten anderen Ländern. So entstehe ein “professionelles Netzwerk und das soziale Kapital“ werde gestärkt. Und letztlich werden Kreativität und Eigenverantwortung gestärkt. Eine Viertelstunde von jeder Unterrichtsstunde sei für die Schüler für eigenen Aktivitäten verbindlich reserviert. “In den meisten Schulen verlaufen diese pausen mit Spiel, das die Kinder selbst organisieren.“ dem entgegen stellte Sahlberg, dass aus Effizienzgründen in den USA in vielen Schulen die Pausen inzwischen abgeschafft worden seien. Die den Finnen zugeschriebenen Fähigkeiten zur “Lösung teuflischer Probleme“, Zähigkeit und besonnene Diplomatie träten in der Literatur auf und seien bestimmend für die Erfolge des kleinen Landes im Norden. Die Frankfurter Buchmesse dauert noch bis zum Sonntag, den 12. Oktober. Während die ersten drei Messetagen dem Fachpublikum gewidmet sind, steht die Messe am Wochenende allen Interessierten offen.
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